Praxis & Medizin

Insektenbestandteile in Nahrungsmitteln | Gut zu wissen

Insekten als Nahrungsmittelquelle gewinnen zunehmend an Bedeutung. Die Welternährungsorganisation FAO hat in verschiedenen Studien festgestellt, dass Insekten eine sehr nahrhafte und gesunde Nahrungsquelle mit einem hohen Gehalt an Fett, Eiweiß, Vitaminen, Ballaststoffen und Mineralien sind, welche eine nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Fleischquellen bieten. Aufgrund steigender Kosten für tierisches Eiweiß, Ernährungsunsicherheit, Umweltbelastung, Bevölkerungswachstum und steigender Nachfrage nach Proteinen in der Mittelschicht sieht die FAO Insekten als wichtigen Beitrag der Lebensmittelversorgung des 21. Jahrhunderts. 

Im Rahmen von Horizont Europa, dem Forschungsprogramm der Europäischen Union, gelten insektenbasierte Proteine als einer der Schlüsselbereiche der Forschung.

Doch die Verarbeitung von Insekten in Lebensmitteln wirft auch Fragen bezüglich allergologischer Wechselwirkungen auf, insbesondere für Personen mit bestehenden Allergien wie Hausstaubmilben- und / oder Meeresfrüchte-Allergien.

Allergologische Wechselwirkungen

Insekten können allergene Bestandteile enthalten, die ähnliche Immunreaktionen hervorrufen wie Hausstaubmilben- oder Schalentierallergen. Verschiedene Insektenarten, darunter beispielsweise die Mehlkäferlarve (Tenebrio molitor) und die Wassermotte (Galleria mellonella), besitzen strukturähnliche Proteine, die bei sensibilisierten Allergikern Kreuzreaktionen auslösen können. Auch durch Restallergene aus Insektenfuttermitteln, z. B. Gluten, können allergische Reaktionen verursacht werden. 

→ Hausstaubmilbenallergiker ←

Für Hausstaubmilbenallergiker besteht die Gefahr, dass die Eiweiße von Insekten, insbesondere von den Chitin- und Tropomyosin-ähnlichen Proteinen, allergische Reaktionen hervorrufen. Diese Allergene sind in der Regel in der Haut oder den Körperflüssigkeiten der Insekten verborgen.

→ Nahrungsmittelallergiker gegen Meeresfrüchte ←

Auch bei Nahrungsmittelallergikern, die auf Meeresfrüchte sensibilisiert sind, besteht ein Risiko. Zum Beispiel zeigen Studien, dass das Protein Tropomyosin, das sowohl in Krebstieren als auch in bestimmten Insekten vorkommt, als Hauptallergen fungiert. Allergiker sollten bei Produkten, die Insekten enthalten, besonders vorsichtig sein.

Gesetzliche Voraussetzungen

In der Europäischen Union sind Insekten als Novel Food klassifiziert. Um in Lebensmitteln verarbeitet werden zu dürfen, müssen die Insekten grundsätzlich folgenden gesetzlichen Rahmenbedingungen entsprechen:

  1. Zulassung als Novel Food: Insektenarten müssen eine Zulassung durch die Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erhalten haben. Dafür muss nachgewiesen werden, dass sie sicher konsumierbar sind.
  2. Kennzeichnungspflichten: Produkte, die Insektenbestandteile enthalten, müssen klar und deutlich gekennzeichnet sein. Die Angabe des biologischen Namens der Insekten ist dabei zwingend erforderlich.

Laut Dr. Helle Knutsen, Molekularbiologin und Toxikologin, Mitglied des EFSA-Expertengremiums für Ernährung und Vorsitzende der EFSA-Arbeitsgruppe für neuartige Lebensmittel „...sind die Anträge auf Zulassung neuartiger Lebensmittel so vielfältig, dass wir für die Bewertung ein breites Spektrum an wissenschaftlichem Fachwissen benötigen: Toxikologie, Chemie und Mikrobiologie, um nur einige zu nennen. Die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe spiegelt dies wider, und gemeinsam bilden unsere Wissenschaftler eine erfahrene multidisziplinäre Gruppe.“ (eigentliche Fußnote: https://www.efsa.europa.eu/de/news/edible-insects-science-novel-food-evaluations)

Die Umsetzung und Kontrolle der geltenden Regeln zur Kennzeichnung von Lebensmitteln ist Aufgabe der zuständigen Behörden in den EU-Mitgliedstaaten. 

Bekannte Insektenarten und ihre Verwendung

Folgende Insektenarten sind in der Lebensmittelindustrie gebräuchlich:

  • Mehlkäfer (Tenebrio molitor): getrocknet als Ganzes oder gemahlen, verwendet in Snacks, Proteinriegeln und Mehlen. Als Pulver kann der Mehlkäfer bis zu einem Anteil von 10 Prozent in verschiedenen Lebensmitteln wie zum Beispiel Nudeln, Keksen oder Proteinprodukten verwendet werden.
  • Hausgrille (Acheta domesticus) , im Ganzen, gefroren oder gefriergetrocknet und vermahlen zu Pulver und in Form von teilweise entfetteten Pulvers. Die Hausgrille findet ihre Verwendung unter anderem in Mehrkornbrot und -brötchen, Cracker und Brotstangen, Getreideriegel, Vormischungen für Backwaren, Kekse, Erzeugnisse aus Teigwaren (trocken), gefüllte Erzeugnisse aus Teigwaren (trocken), Soßen, Kartoffelerzeugnisse, Gerichte auf Basis von Hülsenfrüchten und Gemüse, Pizzen, Gerichte auf Basis von Teigwaren, Molkenpulver, Fleischanalogen, Suppen und Suppenkonzentraten oder -pulver, Snacks auf Maismehlbasis, bierähnliche Getränke, Schokoladenerzeugnisse, Nüsse und Ölsaaten, Snacks außer Chips und Fleischzubereitungen mit den entsprechend vorgegebenen Höchstmengen, bierähnlichen Getränken und Mischungen aus alkoholischen Getränken mit ganzen oder vermahlenen Heimchen.
  • Wanderheuschrecke (Locusta migratoria): gefroren, getrocknet und gemahlen, häufig in getrockneter Form in Dips oder als Snack aber auch in verarbeiteten Kartoffelprodukten, Nudeln, Suppen, Salaten, Schokoladenerzeugnissen, Frühstückscerealien, Back- oder Wurstwaren verwendet.
  • Getreideschimmelkäfer oder Buffalowurm (Alphitobius diaperinus), gefroren/pastenartig/getrocknet/pulverisiert, laut Zulassung in zahlreichen Lebensmitteln eingesetzt, vor allem in Getreideprodukten wie Brot und Brötchen, Getreideriegeln, Porridge oder Nudeln. Weiter können sie unter anderem auch Zutat von Molkenpulver, Chips, Fleischzubereitungen oder Nahrungsergänzungsmitteln sein

Erkennung von Insektenbestandteilen in Lebensmitteln

Um festzustellen, ob ein Lebensmittel Insektenbestandteile enthält, sollte man auf folgende Aspekte achten:

  1. Zutatenliste: In der Zutatenliste müssen Insektenbestandteile namentlich aufgeführt sein, z.B. "Mehl aus Mehlkäfern (Tenebrio molitor)".
  2. Kennzeichnung "kann Spuren enthalten von": Produkte, die in Betrieben hergestellt werden, die auch Insekten verarbeiten, können zusätzliche Warnhinweise tragen.

Die Bezeichnung im Zutatenverzeichnis bei der Hausgrille lautet z. B. „teilweise entfettetes Pulver aus Acheta domesticus (Hausgrille)“. 

Die Bezeichnung im Zutatenverzeichnis beim Getreideschimmelkäfer lautet entweder, „gefrorene Larven/Paste aus Larven von Alphitobius diaperinus (Getreideschimmelkäfer)“ oder „getrocknete Larven/Pulver aus Larven von Alphitobius diaperinus (Getreideschimmelkäfer)“. 

Neben dem lateinischen Namen wird also auch die jeweilige deutsche Bezeichnung angegeben.

Herkunft

Alle Speiseinsekten werden auf speziellen Insektenfarmen unter kontrollierten Bedingungen mit speziellem Futter auch in Deutschland gezüchtet. 

Vorteile der Speiseinsekten

Insekten sind in der Regel proteinreich, gelten als gute Quelle für die essenziellen mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren und sind reich an B-Vitaminen und Mineralstoffen. Außerdem können Insekten in Sachen Nachhaltigkeit punkten, da ihr essbarer Anteil mit ca. 80 Prozent höher liegt als der von Nutztieren wie Rindern oder Schweinen. Zudem brauchen sie weniger Platz, Futter und Wasser. Als kritisch wird jedoch die Betriebstemperatur angesehen, die die meisten Zuchtanlagen benötigen, denn gerade hierzulande müssen die Zuchtanlagen in den kalten Monaten ständig beheizt werden. Praktisch allerdings muß das kein Problem darstellen, Kooperativen mit Biogasanlagen oder Rechenzentren bieten sich an.

Lange Tradition von Insektenbestandteilbemischungen

Die Beimischungen von Insektenbestandteilen erfreut sich einer langen Tradition. Hier einige Beispiele:

  • Der Farbstoff „Echtes Karmin“ (E 120) wird aus wässrigen oder alkoholischen Extrakten von getrockneten weiblichen Cochenille-Schildläusen hergestellt. Im Zutatenverzeichnis steht: „Farbstoff: Echtes Karmin“ oder „Farbstoff: E 120.“
  • Das Trenn- und Überzugsmittel „Schellack“ (E 904) wird aus den harzigen Ausscheidungen der Lackschildlaus gewonnen. Diese werden gereinigt und gebleicht. Im Zutatenverzeichnis steht: „Trennmittel/Überzugsmittel: Schellack“ oder „Trennmittel/Überzugsmittel: E 904“.
  • Bienenwachs (E 901) wird von lebenden Insekten, den Honigbienen, erzeugt. Im Zutatenverzeichnis steht „Trennmittel/Überzugsmittel: E 901“ oder „Trennmittel/Überzugsmittel: Bienenwachs“. 

Fazit

Insekten bieten eine innovative und ressourcenschonende Nahrungsmittelalternative mit vielversprechenden gesundheitlichen Vorteilen. Dennoch sollten Allergiker vorsichtig sein und sich über mögliche Kreuzreaktionen informieren. 

Gesetzliche Rahmenbedingungen sorgen dafür, dass Insekten in Lebensmitteln transparent gekennzeichnet und sicher konsumiert werden können. Sensibilisierte Personen sollten sich stets über die Inhaltsstoffe informieren und im Zweifelsfall einen Allergologen konsultieren.